Feierliche Jubiläums-Liturgie in der Kathedrale in München
24. Juni 2025
Am 21. Juni 2025 fand in der Kathedrale zum Schutz der Allerheiligsten Gottesmutter in München eine feierliche Göttliche Liturgie anlässlich des Jubiläumsjahres statt. Der Apostolische Exarch, Bischof Bohdan, leitete die Liturgie, an der Priester, Ordensleute sowie Seminaristen und Studierende des Collegium Orientale Eichstätt teilnahmen. Die vollständige Predigt des Bischofs können Sie unten nachlesen.

Evangelium des Tages: Mt. 7, 1-8
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe gottgeweihten Personen – unsere liebe Schwestern, liebe Kollegiaten und Seminaristen!
Slawa Isusu Chrystu! – Gelobt sei Jesus Christus!
Ich heiße Sie alle herzlich in unserer Kathedrale willkommen – anlässlich Ihres Jubiläums! Ein Jubiläum ist eine Zeit der Gnade und der Dankbarkeit: für das Geschenk des Lebens und der Berufung, für all das, was war – und zugleich eine Gelegenheit zur Erneuerung im Licht des Wortes Gottes. Diese Erneuerung geschieht durch die Kraft der göttlichen Gnade, die uns in den heiligen Sakramenten begegnet, insbesondere im Sakrament der Versöhnung und in der Heiligen Eucharistie.
Die Lesung aus dem heutigen Evangelium entstammt der Bergpredigt – jenem zentralen Abschnitt der Lehre Jesu, den man als Magna Charta des Christentums bezeichnen kann. Sie ist gewissermaßen der Identitätscode der Jünger Christi, Ausdruck des Wesens unseres Glaubens und der christlichen Lebensweise in der Welt.
Im Licht des göttlichen Wortes und des Lebensbeispiels Jesu Christi sind wir dazu berufen, unsere Beziehung zu Gott und zu unseren Mitmenschen zu gestalten und lebendig zu halten. Diese beiden Dimensionen – die Beziehung zu Gott und die zum Nächsten – prägen das gesamte Leben eines jeden Christen, in besonderer Weise jedoch das Leben der gottgeweihten Personen sowie jener, die am Priestertum Christi teilhaben oder sich darauf vorbereiten.
Im heutigen Evangelium warnt uns Jesus: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Was auf den ersten Blick wie eine ethische Empfehlung erscheinen mag, um das zwischenmenschliche Zusammenleben zu regeln, hat in Wahrheit eine tiefgreifende christologische und soteriologische Dimension.
Denn Jesus spricht über sich selbst und seine Mission in dieser Welt mit den folgenden Worten: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um die Welt zu richten, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,16–17)
Gott liebt – und seine Liebe zerstört nicht, sie rettet. Sie verurteilt nicht, sondern ist barmherzig. Sie weist nicht ab, sondern umarmt. Sie schenkt Leben, Hoffnung und Freude – sie nimmt sie nicht. Mit dieser göttlichen Liebe umhüllt der Vater die Welt in Christus Jesus durch die Kraft des Heiligen Geistes. Diese Liebe ist stärker als das Böse, das mit dem Sündenfall in die Welt eingedrungen ist und bis heute unermessliches Leid verursacht.
Eine Kirche, die den Menschen offen begegnet – mit offenen Türen, offenen Herzen, offenen Armen –, ist eine Jubiläumskirche: ein lebendiges Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes und ein Werkzeug seiner rettenden Gegenwart.
Unsere erste und wichtigste Aufgabe ist es, diese Liebe zu verkünden und sichtbar, ja erfahrbar zu machen.
Diese Liebe kann uns bis zur Selbsthingabe im Martyrium führen – wie im Leben des seligen Märtyrers Omeljan Kowtsch, der im Konzentrationslager Majdanek gefangen war und als Schutzpatron der griechisch-katholischen Priester gilt. Oder wie beim seligen Petro Werhun, Apostolischer Visitator für die Ukrainer in Deutschland während der Zwischenkriegszeit. Ihm wurde im Mai 1945 dringend geraten, Berlin zu verlassen, um sich vor der anrückenden sowjetischen Armee in Sicherheit zu bringen. Doch er antwortete mit entschlossener Klarheit: „Solange hier auch nur ein einziger Ukrainer bleibt, werde ich auch bleiben.“ Er blieb. Kurz darauf wurde er verhaftet, nach Sowjetunion deportiert, verurteilt – und starb als Märtyrer im Gulag. Der heilige Johannes Paul II. sprach ihn 2001 selig, und seine Reliquien befinden sich heute hier, in unserer Kathedrale – als sichtbares Zeichen seiner Gegenwart und seiner Fürsprache im Himmel.
Doch nicht jeder ist zum Martyrium berufen. In der Regel zeigt sich unsere Liebe in der Treue zu Gott und zu den Menschen im Alltag unseres Dienstes. „Da zu sein“ – das ist das stille, aber kraftvolle Motto der Priester und Seelsorger sowie der zahlreichen Ordensschwestern und -brüder in der Ukraine, die täglich unter den Bedingungen des genozidalen russischen Angriffskrieges für ihre Gläubigen da sind. Auch sie sind geblieben. Sie haben ihre Gemeinden nicht verlassen, sondern ihnen – durch ihr Dasein – die treue Liebe Gottes weitergegeben und bezeugt.
Diese barmherzige, mitfühlende Präsenz brauchen Menschen überall – ob in der Ukraine, in Indien, Georgien, der Slowakei oder hier bei uns in Bayern. Ich erinnere mich an die ersten Tage der groß angelegten Invasion Russlands, als wir hier in der Kathedrale mit Menschen zusammenkamen, erfüllt von Angst, Schmerz und Unsicherheit. Unsere Kathedrale wurde in dieser Zeit nicht nur zu einem spirituellen Zentrum, sondern auch zu einem wichtigen humanitären Anlaufpunkt. Eine Journalistin fragte damals unseren Pfarrer, Volodymyr Viytovych: „Wie schaffen Sie es, in diesen furchtbaren Umständen den Menschen zu helfen?“ Er antwortete spontan: „Oft können wir den Menschen nichts anderes geben, als für sie zu beten und sie herzlich zu umarmen.“
Jemanden in den Arm zu nehmen, bei ihm zu sein, seine Angst und Hoffnung zu teilen – das ist ein machtvoller Ausdruck jener christlichen Liebe, die heilt, die rettet.
Eine solche Liebe lebte in ihrer Zeit die selige Sr. Josafata Hordaschewska, Mitgründerin der Kongregation der Schwestern der Unbefleckten Jungfrau Maria. Ihre Mission führen unsere lieben Schwestern hier in München fort – in dieser Kathedrale und in unserer Residenz.
Eine solche Liebe bezeugte auch die selige Edigna, die ihren Lebensweg als Einsiedlerin hier in Bayern vor über 1000 Jahren vollendete. Ihr Charisma erkenne ich immer wieder in der aufopfernden Tätigkeit der hier anwesenden Sr. Michaela-Josefa Hut – wofür wir Ihnen von Herzen dankbar sind.
Diese Liebe muss immer konkret bleiben – im Einsatz für die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, wie sie sich in den Werken der Barmherzigkeit zeigen: den Hungrigen zu essen geben, den Durstigen zu trinken, den Obdachlosen und Migranten Unterkunft bieten, Kranke und Gefangene besuchen. Doch genauso wichtig sind die geistlichen Werke der Barmherzigkeit: den Sünder zurechtweisen, den Unwissenden lehren, Zweifelnden guten Rat geben, Trauernde trösten, Beleidigungen vergeben, für Lebende und Verstorbene beten.
Diese Liebe fordert auch Verantwortung, Wahrhaftigkeit und Entschlossenheit. Sie ruft uns dazu auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und, wenn nötig, mutig unseren Glauben zu verteidigen. Jesus hat uns einen großen Schatz anvertraut – den Schatz des Glaubens. Und er ruft uns auf, über ihn zu wachen, damit wir ihn nicht leichtfertig den gottlosen Ideologien und Strömungen unserer Zeit aussetzen. Die Versuchung, sich dem Zeitgeist anzupassen, kann gefährlich sein – für den Glauben selbst und für unsere Seelen. Denn wenn wir vor der Welt nicht fest und glaubwürdig stehen, dann – so warnt uns Jesus – wird die Welt uns sehr bald verachten: „Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Schweine; sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten, sich umwenden und euch zerreißen“ (Mt 7,6).
Zuletzt: Diese Liebe zeigt sich vor allem im Gebet – in der Fürbitte vor dem Thron Gottes für die Menschen, die uns anvertraut ist, für alle Menschen in dieser Welt. Wenn Jesus uns aufruft, zu bitten, zu suchen und anzuklopfen, dann ist das ein Aufruf zum vertrauensvollen, mutigen, anhaltenden Gebet. Die Kirche verwendet dafür ein starkes Wort aus der altkirchlichen Tradition: „Parrhesia“ – freimütiges Vertrauen. In dieser Haltung beten wir in der Heiligen Liturgie das „Vater unser“ – voller Vertrauen und ohne Furcht.
Ja, das Gebet – beharrlich, ausdauernd, voll Liebe zu Gott und zu allen Menschen – ist die erste und wichtigste Aufgabe jedes Priesters. Auch für unsere Feinde zu beten, ist Ausdruck jener Liebe, die rettet. Denn aus der heilenden und rettenden Liebe Gottes darf niemand ausgeschlossen werden!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Ordensschwestern, liebe Kollegiaten und Priesterkandidaten, liebe Schwestern und Brüder in Christus: Lasst uns Menschen des Gebets sein – Menschen pastoraler Liebe, die mit offenem Herzen jedem Menschen begegnen, den der Herr auf unseren Weg stellt.
Lasst uns heute in dieser Heiligen Liturgie die göttliche Liebe in unser Herz aufnehmen – damit sie uns erneuert, uns Hoffnung schenkt, Frieden bringt und Gottes Segen.
Möge uns auf allen Wegen unseres Lebens und Dienstes die Gottesmutter Maria, die Allheilige Theotokos, begleiten – die Mutter der schönen Liebe, die Mutter der Barmherzigkeit, die Mutter unseres Erlösers.
Möge uns das Beispiel und die Fürsprache aller Heiligen stärken und tragen.
Amen.
Fotos: Rostyslav Myrosh


















