Predigt von Bischof Bohdan Dzyurakh in Puchheim

5. April 2025

Am 5. April 2025 feierte Bischof Bohdan Dzyurakh im Rahmen der Monatswallfahrt nach Maria Puchheim die Göttliche Liturgie. Die Predigt des Bischofs liegt nachfolgend im Wortlaut vor.

Predigt von Bischof Bohdan Dzyurakh in Puchheim

„Maria Königin des Friedens“

Predigt von Bischof Bohdan Dzyurakh bei der Monatswallfahrt nach Maria Puchheim


Hochwürdigster Pater Provinzial, lieber Martin, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder in Christus,

ich grüße Sie sehr herzlich und freue mich, wieder mit Ihnen beten zu dürfen bei dieser traditionellen Wallfahrt zu Unserer Lieben Mutter von der Immerwährenden Hilfe. Wir rufen heute die Jungfrau Maria an, und durch ihre Fürsprache beten wir für unsere Erneuerung im Glauben, für die geistlichen Berufungen, für den Frieden in der Welt und insbesondere für den Frieden in der Ukraine, in meiner Heimat, die zu einer offenen blutigen Wunde auf unserem europäischen Kontinent geworden ist. Ich danke Dir, lieber Pater Martin, für diese Einladung und Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, für diese wertvolle Gelegenheit, miteinander heute zu beten. Wie das Jesuskind auf unserer Gnadenikone legen wir alle unsere Sorgen, Sehnsüchte und Nöte in die Hände der Jungfrau Maria, in der Zuversicht, dass „das Kind Mariens niemals untergehen wird“, wie der Gründer unserer Kongregation der Redemptoristen, der heilige Alfons Maria Liguori, oft wiederholte.

Heute sind die Kinder Mariens in der Ukraine unvorstellbaren Prüfungen und Leiden ausgesetzt. Infolge des grausamen Krieges waren mehr als 14 Millionen Menschen (d.h. ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung) gezwungen, aus ihren Heimatorten zu fliehen; 6,5 Millionen von ihnen fanden Zuflucht und Schutz in den westlichen Ländern, während die übrigen zu Binnenflüchtlingen in der Ukraine geworden sind. Leider hatten auch sehr viele von unseren Landsleuten keine Möglichkeit, sich vor den Besatzern zu verbergen oder zu fliehen – sie werden niemals wieder in ihre Heimatorte zurückkehren können. Städte wie Mariupol, Bucha, Borodyanka, Irpin und Yahidne sind zu Symbolen der Grausamkeit und Gewalt geworden, die das Blut in den Adern gefrieren lassen und die Stimmen der unschuldigen Opfer zum Himmel schreien lassen. Bis heute haben verschiedene internationale Organisationen bereits mehr als 150.000 Kriegsverbrechen registriert, die von russischen Truppen auf dem Territorium der Ukraine begangen wurden.

Auch angesichts von solchem Leid und solchen Schmerzen sollten wir uns nicht machtlos oder hilflos fühlen. Als gläubige Menschen wissen wir, dass der Karfreitag nicht der letzte Tag der Menschheitsgeschichte war und auch nicht sein wird. Und an diesem Samstag, da wir zu Füßen der Jungfrau Maria versammelt sind, rufen wir sie nicht nur mit dem zärtlichen Wort „Mutter“, sondern auch mit dem mächtigen Titel „Königin des Friedens“ an.

Für mich persönlich ist eines der aussagekräftigsten Bilder von Maria als Königin des Friedens die berühmte Skulptur, die sich in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore befindet. Viele von Ihnen haben diese Statue wahrscheinlich schon einmal gesehen, wenn auch nicht persönlich, so doch zumindest auf dem Foto, das hier auch vor dem Altar ausgestellt wurde.

Die Statue wurde im Jahr 1918 im Auftrag von Papst Benedikt XV. geschaffen, um die Jungfrau Maria um ein Ende des Ersten Weltkriegs zu bitten. Sie zeigt in der Mitte die Jungfrau auf einem Thron, die mit dem linken ausgestreckten Arm das Ende des Krieges befiehlt, während sie mit dem rechten Arm das Jesuskind hält, das bereit ist, den Olivenzweig als Symbol des Friedens herabfallen zu lassen. Auf dem Sockel wartet eine Taube gespannt auf das Herabfallen des Olivenzweigs, um den Menschen die Botschaft des Friedens zu bringen, und die Blumen, Lilien und Rosen, stehen für das Aufblühen neuer Aktivitäten mit der Rückkehr des Friedens. Das Gesicht der Jungfrau ist wegen der Schrecken des Krieges traurig, ihr Blick aber ist voll Hoffnung und Entschlossenheit.

Wenn wir uns nun dieses Bild der Jungfrau Maria, der Königin des Friedens, ins Gedächtnis rufen, können wir uns heute fragen: Wie sehe ich mich selbst im Zusammenhang mit diesem Bild und im Blick auf die heutige Geschichte der Menschheit und Europas? Schließlich bin ich, ob ich es will oder nicht, Teil dieser Menschheit, die, trotz der Schrecken zweier Weltkriege im letzten Jahrhundert, nun zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts in eine Zeit der Erschütterungen und der Prüfungen eingetreten ist, die, Gott bewahre, zum Präludium einer neuen Tragödie von globalem Ausmaß werden können. Wie sehe ich mich selbst im Zusammenhang mit diesem Heiligenbild?

Bin ich ein einfacher ästhetischer Betrachter, der die ungewöhnlichen Formen dieses Meisterwerks der italienischen sakralen Kunst bewundert? Oder bin ich vielleicht ein Mensch, der die spirituellen Botschaften dieses Bildes zwar wahrnimmt, aber nur auf der Ebene der Gefühle, auch der religiös gefärbten, bleibt. Solche Gefühle werden durch die folgenden Kommentare ausgedrückt, die ich unter diesem Bild in einer der Internetquellen gelesen habe: „Von unbeschreiblicher Schönheit, die Frieden und Zuversicht ausstrahlt“; „Ich bin beeindruckt von Marias Geste“, „Diese Hand ist unbeschreiblich schön“

Oder vielleicht gehöre ich zu den Touristen, die jeden Tag zu Tausenden an dieser Statue in der Basilika in Rom vorbeigehen, aber nach einem kurzen Blick darauf gleichgültig weiterziehen, beschäftigt mit ihren eigenen Anliegen und Plänen. Sie interessieren sich nicht für die Ereignisse, die um sie herum in der Welt toben, der Krieg skandalisiert sie nicht, das Leid der anderen bewegt sie nicht, und um die Frage des Friedens sollte sich jemand anderes kümmern, aber sicher nicht sie ...

Oder vielleicht bin ich den Menschen ähnlich, die, wie diese Taube unten, auf den Frieden warten, die endlich die lang ersehnte Nachricht hören oder lesen wollen: „Der Krieg ist vorbei!“, und dann erleichtert aufatmen, ohne sich darum zu kümmern, ob der Frieden durch die Wiederherstellung von Wahrheit und der gestörten moralischen Ordnung erreicht wird ob oder durch ihn dem Opfer von Gesetzlosigkeit und Aggression eher noch größeres Unrecht und Schaden zugefügt wird ... Ja, der Frieden kann verschieden aussehen: der Friede auf der Asche der Wahrheit und der Gerechtigkeit, der Würde und der Freiheit – der Friedhofsfriede der versklavten Völker; Friede als Ergebnis von Verhandlungen und unfairen Vereinbarungen im Interesse der Reichen und Mächtigen dieser Welt, die es geschafft haben, ihre tödlichen Pläne mit roher Gewalt durchzusetzen; oder der echte Friede, der Friede, den unser Herr Jesus Christus, der Friedensfürst, uns schenkt – ein Friede, der auf der Kraft der Wahrheit und der Liebe ruht, auf der bedingungslosen Achtung des Lebens und der Würde eines jeden Menschen und eines jeden Volkes, insbesondere der Schwachen und Gefährdeten.

Die Heilige Jungfrau Maria, die Königin des Friedens, zeigt uns den einzig wahren Weg zum Frieden. Das Erste, was sie uns mit der beredten Geste ihrer linken Hand lehrt, ist, der Sünde und allen dunklen Mächten des Bösen mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Der Friede auf Erden beginnt mit dem Frieden in meinem Herzen, damit, ob ich mich im Licht der Gnade Gottes befinde oder im Gegenteil in der Finsternis der Sünde oder in der Grauzone des Kompromisses mit dem Bösen.

Dann lenkt Maria, die Jesus in ihrem rechten Arm hält, unseren Blick und unser Herz auf ihn, auf Jesus, den Friedensfürsten, und ruft uns zu einem beharrlichen und vertrauensvollen Gebet auf. Sie, als unsere „Immerwährende Hilfe“, ist die Erste, die ihre Hände im Gebet erhebt und ihren Sohn um die Gabe des Friedens für uns und für die ganze Menschheit bittet. Indem wir uns mit ihr im Gebet vereinen, nähern wir uns dem Tag, an dem der auferstandene Heiland zu uns kommen wird und, indem er seine Wunden zeigt, die auch unsere Wunden an seinem Leib sind, dieses ersehnte Wort, diese österliche frohe Botschaft, verkünden wird: „Friede sei mit euch!“ (Joh. 20, 19.21).

Schließlich lädt die Muttergottes uns ein, aktiv für den Frieden einzutreten, so wie sie es in Kana in Galiläa getan hat, indem sie uns auffordert: „Tut alles, was er euch sagt“ (Joh. 2, 5). Unsere Sehnsucht nach Frieden darf sich nicht auf Gefühle oder auch nur auf innige Gebete beschränken; sie soll uns zu konkreten Taten führen, damit wir mit Gott zusammenwirken, um den Frieden in unserer verwundeten Welt wiederherzustellen und zu fördern. Der heilige Paulus drückt dieses Programm unseres christlichen Handelns in diesen Worten aus: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm. 12, 21).

In den letzten Jahren, in denen sich das Böse so bedrohlich auf unserem Kontinent ausbreitet, ist die Schönheit der aufopfernden Liebe und der Solidarität mit den leidenden Brüdern und Schwestern, darunter Millionen meiner Landsleute, noch deutlicher geworden. Heute möchte ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, im Namen unserer Kirche und unseres Volkes unser aufrichtiges Vergelt´s Gott! sagen. Möge Gott der Herr diese Ihre Güte und Ihren Beistand hundertfach belohnen!

Das eigene Herz vor dem Bösen zu bewahren, für den Frieden zu beten, mit guten Taten den Frieden zu fördern – das ist das Programm des geistlichen Lebens für unsere Zeit, das ist der Weg, den uns die Mutter Gottes heute zeigt und der, davon bin ich fest überzeugt, unser gemeinsamer Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden werden wird. Auf diesem Weg, auf dem wir der Jungfrau Maria folgen, sind uns alle Heiligen, alle wahren Jünger und Jüngerinnen Christi vorausgegangen, eine von ihnen möchte ich heute nicht unerwähnt lassen:

Unsere unvergessene Frau Trude Hofstetter, die diese Monatswallfahrten hier in der Basilika Maria Puchheim jahrzehntelang mitgestaltete und die ich in den frühen 90er Jahren kennenlernen durfte.

Ihr Herz war offen für Gott und deshalb verstand sie die Sprache des Herzens. Als ich vor mehr als 30 Jahren zum ersten Mal ins Redemptoristenkloster in Eggenburg zum Sprachkurs kam, besuchte Frau Hofstetter täglich unsere ukrainisch-byzantinischen Liturgie, die ich mit einem anderen Mitbruder privat feierte. Als ich sie fragte, warum sie käme, sie verstünde ja nichts, antwortete sie mit einem sanften Lächeln: „Pater Bohdan, der Kopf versteht nichts, aber das Herz versteht alles!“

Aber sie hat nicht nur die Sprache des Herzens verstanden. Sie hat zu uns mit der Sprache des Herzens gesprochen, der Sprache der Liebe, die sich in ihren ganz konkreten Werken und Taten zeigte. Ich werde nie vergessen, wie sie damals beim Abschied vor meiner Abreise in die Ukraine plötzlich ihre Uhr abnahm und sie mir mit den Worten reichte: „Das ist für Ihre Mutter“, und einen Moment später überraschte sie mich noch mehr, als sie ihre Schuhe auszog und sie mir ebenfalls reichte – für meine Mutter. Sie ging barfuß nach Hause, aber mit einem Herzen voller Liebe, der Liebe Gottes, die nicht nur ich, meine Mutter oder meine Familie von ihr erfahren durften, sondern viele Menschen, die das Glück hatten, sie zu kennen oder ihr zu begegnen.

Und natürlich ihr Gebet: voll von stillem Vertrauen, fast schon fester Überzeugung, dass Gott, der Herr, seine Kinder nie verlassen wird, dass er alles zum Guten wenden wird, dass er in allen Erschütterungen, Krisen und Problemen unseres Lebens das letzte Wort immer haben wird, und das wird das Wort der Wahrheit, der Liebe und des Lebens sein. Als treue Dienerin der Legio Mariae, brachte sie ihr Gebet durch die Hände Marias zu Jesus und bat um ihren Segen und ihre weitere Zuwendung mit den Worten ihres Lieblingsliedes, das auch zu meinem Lieblingslied an die Jungfrau Maria geworden ist: „Segne Du, Maria!

Wir werden dieses schöne Lied wahrscheinlich auch heute noch singen. Aber schon jetzt können wir zur Muttergottes voll Vertrauen rufen: Segne uns, Maria, die wir hier versammelt sind! Erhöre unsere Gebete und bringe sie vor den Thron deines Sohnes und unseres Herrn! Gewähre Frieden für uns selbst, für unsere Familien, für unsere Völker und für die ganze Welt! Mache uns, Deine geliebten Kinder, zu Zeugen und Werkzeugen der Gegenwart Gottes, des Friedens Gottes und der Liebe Gottes. Amen!

Sehen Sie auch