Die Geschichte der UGKK

Aus den Materialien eines Vortrags von Prof. Dr. Oleh Turii (Institut für Kirchengeschichte, Ukrainische Katholische Universität, Lwiw, Ukraine), gehalten am 15. September 2000 in Freising, Deutschland.

Die Bekehrung der Ukraine und die Konflikte zwischen Ost und West

Die Ukraine hat eine lange christliche Geschichte, die ihren Anfang im 10. Jahrhundert nimmt. Im Jahr 988 führte Wolodymyr, Großfürst von Kyiw, das Christentum im östlichen Ritus als Staatsreligion für die Kyiwer Rus ein. Die Kyiwer Kirche hielt an der Tradition des byzantinisch-slawischen Ostens fest und gehörte lange Zeit zum Patriarchat von Konstantinopel. Dennoch blieb sie bis zur Kirchenspaltung von 1054 in voller Gemeinschaft mit den lateinischen Kirchen des Westens und ihrem Patriarchen – dem Papst in Rom.

Ungeachtet der Streitigkeiten zwischen Konstantinopel und Rom bemühte sich die kirchliche Hierarchie in Kyiw auch nach 1054 darum, die christliche Einheit wiederherzustellen. Gesandte der Kyiwer Rus nahmen an den Konzilien der Westkirche in Lyon (1245) und in Konstanz (1418) teil; der Kyiwer Metropolit Isydor war sogar einer der Initiatoren der Kirchenunion von Ferrara/Florenz (1439).

Während die Metropolie von Kyiw an der Wiederherstellung der Einheit arbeitete, entstand nördlich von Kyiw, in Moskau, eine neue Metropolie. Die Kirche von Moskau erteilte der Union von Ferrara/Florenz eine Absage und trennte sich von der alten Kyiwer Metropolie. Hierbei rief sie im Jahr 1488 auch die Autokephalie (Selbstverwaltung) über sich aus. 1589 erlangte Moskau aufgrund des Niedergangs der griechischen Orthodoxie mit dem Fall von Konstantinopel, das unter türkische Herrschaft geraten war, den Status eines Patriarchats.

Die Union von Brest von 1596 und die Spaltung der Kyiwer Kirche

Die protestantische Reformation und der post-tridentinische Katholizismus zwangen die Kyiwer Kirche, Stellung zu beziehen. Zugleich erlebte diese Kirche auch eine eigene innere Krise. Auf ihrer ersten Synode wurde die Entscheidung getroffen, die Jurisdiktion des Apostolischen Stuhls anzuerkennen, wobei die Tradition des östlichen Ritus und die eigenen kirchlichen und ethno-kulturellen Eigenheiten bewahrt werden sollten. Dieses Modell der kirchlichen Einheit wurde beim Konzil von Brest (heute Weißrussland) im Jahr 1596 bestätigt. Dieses Konzil gilt als die institutionelle Geburtsstunde der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine.

In der Zeit des Konzils von Brest (1596) stand die gesamte Ukraine unter der Herrschaft des polnisch-litauischen Staates. Im westlichen Teil der Ukraine, der auch danach längere Zeit unter polnischer Herrschaft blieb, war die Kirche der Hauptträger der kulturellen und religiösen Identität der ukrainischen Bevölkerung. Als die Westukraine dann der österreichischen Monarchie hinzugefügt wurde, erfuhr die griechisch-katholische Kirche große Hilfe und Unterstützung von Seiten der österreichischen Machthaber (da entsteht auch erst der Name „Griechisch-Katholische Kirche“ für die mit Rom unierte Kyiwer Metropolie).

Anders sah die Entwicklung in der Ostukraine aus: Ein Teil der Kirchenhierarchie und der Gläubigen der Metropolie von Kyiw beharrte auf der Einhaltung der kanonischen Zugehörigkeit zum Patriarchat von Konstantinopel. Aufgrund der inneren Spaltung im Volk stellte sich die Zentral- und Ostukraine im Jahr 1654 schließlich unter die „hoheitliche Hand des einziggläubigen Moskauer Herrschers“. Wenige Jahre später, 1686, wurde auch die Kyiwer Metropolie (die nicht mit Rom unierte) dem Moskauer Patriarchat unterstellt. Mit der Entwicklung des russischen Imperiums verstärkten sich die Repressionen gegen die Gläubigen der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, und es folgten mehrere Versuche ihrer gewaltsamen Bekehrung zur Russischen Orthodoxen Staatskirche (1772, 1795, 1839 und 1876).

An der Schwelle zum 20. Jahrundert wurde die Leitung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche dem bis heute verehrten Metropoliten Andrej Scheptyzkyj (1901–1944) übertragen. Seine geistige Führung gab den Gläubigen Halt in den schweren Zeiten zweier Weltkriege und des siebenmaligen politischen Herrschaftswechsels, insbesondere unter den Diktaturen der Sowjetmacht und des Dritten Reichs. Seine Arbeit, die er mit großem Fleiß und bischöflichem Einsatz durchführte, insbesondere der Schutz des National- und Sozialrechts des ukrainischen Volkes, seine karitative Tätigkeit und seine Bemühungen in der Ökumene machten die UGKK zu einer einflussreichen gesellschaftlichen Institution in der Ukraine.

Auch die orthodoxe Geistlichkeit und die orthodoxen Gläubigen der Ukraine waren mit der engen Verflechtung zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und dem imperialistischen Staat mit seinen großrussischen nationalen Interessen unzufrieden. Dies führte zu einer „ukrainophilen“ Strömung innerhalb der Ukrainischen Kirche, welche nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 zu einer organisierten Bewegung für die Autokephalie der ukrainischen Orthodoxie anwuchs. Dennoch scheiterten die Versuche in den Jahren 1920 und 1940, die Ukrainische Orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat unabhängig zu machen, am erbitterten Widerstand und an den Repressionen der sowjetischen Machthaber.

Das totalitäre Erbe – die Ukraine im 20. Jahrhundert

Die Entwicklung des religiösen Lebens in der heutigen Ukraine wurde am meisten von den Tragödien des 20. Jahrhunderts, einer Epoche des Terrors und der Gewalt, beeinflusst. Nach ungefähren Schätzungen kamen in der Ukraine im 20. Jahrhundert ca. 17 Millionen Menschen gewaltsam ums Leben. Besonders tragisch ist, dass nicht nur Kriege und Konflikte, sondern illusionäre Ideen, die die Schaffung einer besseren Welt zum Ziel hatten, diese hohen Opferzahlen verursachten.

Der Kampf gegen die Religion wurde zu einer vom Staat betriebenen Ideologie, für die alle Mittel recht waren: Kirchenbauten wurden profaniert oder zerstört. Priester und Gläubige sowohl der orthodoxen wie auch der katholischen Kirche sowie Vertreter anderer Religionen wurden verhaftet, in sibirische Gulags deportiert oder ermordet. Ganze Kirchen wurden verfolgt, in den Untergrund getrieben oder vollständig vernichtet. Dies betraf z.B. die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche zu Beginn der 1930er Jahre oder die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche im Jahr 1946 in Galizien und 1949 in Transkarpatien. Von der Römisch-Katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen blieb nur noch ein kleiner Rest an Gläubigen übrig, die streng kontrolliert wurden.

Sogar die Tätigkeit der Russischen Orthodoxen Kirche, die als Staatskirche fungierte, litt unter starken Einschränkungen. Ihr Leiden wurde außerdem dadurch vergrößert, dass geheimdienstliche Mitarbeiter in ihre Reihen eingedrungen waren. In der sowjetischen Gesellschaft herrschten Demoralisierung und geistliche Leere vor.

Die Krise der Sowjetmacht in den 1980er Jahren beendete den Prozess der Unterdrückung der Kirchen. 1989 kam die vom Staat verbotene Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche aus dem Untergrund hervor; es wurden Pfarreien der Ukrainischen Autokephalen Kirche gegründet. Mit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine im Jahr 1991 wurde eine neue staatlich-politische Grundlage für die Tätigkeit aller Kirchen geschaffen. So ist seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auch die UGKK wieder am Wachsen.